Yaara Tal (Klavier)
Sony (59‘)
Wertung: 9
An Bachs Wohltemperiertem Klavier wird sich die Menschheit so oder so noch lange abarbeiten. Einen völlig neuen Blick auf das klaviergeschichtliche Gipfelwerk in zwei Teilen wirft Yaara Tal, die – sonst meist als Teil des Klavierduo-Ehepaars Tal & Groethuysen unterwegs – in ihrem neuesten Solo-Projekt Präludien daraus mit Fugen anderer Komponisten kombiniert; ganz im originalen Sinn in entsprechenden Tonarten. Über allem steht das luzide, dem Vergleich mit größten Bach-Autoritäten standhaltende Spiel der Pianistin. Spannend zu sehen ist daneben, wie sich der Bach-Stil über Jahrhunderte hinweg in den Fugen so unterschiedlichen Komponisten wie Wilhelm Friedemann Bach, Frédéric Chopin oder Robert Schumann ausmachen lässt. Ein besonderer Verdienst ist die Entdeckung des musikalischen Schaffens von Lyonel Feininger, der aus fanatischer Verehrung zum größten Thomaskantor aller Zeiten selbst zum Fugenschreiber wurde (seine es-Moll-Fuge ergänzt das entsprechende Präludium aus dem 1. Teil). Der Abschluss ist fulminant: Reinhard Febels Fugenbeitrag mit dem hintersinnigen Titel Tempus fugit, die sich in ihrer auf Be- und Entschleunigung basierenden Vor- und-Zurück-Dramaturgie als wahrhaft bachwürdiges Meisterstück erweist.
Stephan Schwarz-Peters
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